Da die Blattschneiderameisen meist als Agrarschädlinge auffallen, habe ich mir zusammen mit meinem Dozenten überlegt, dass es spannend wäre einen Wahlversuch mit verschiedenen Gemüsesorten durchzuführen. So könnte mensch versuchen herauszufinden, ob die Blattschneiderameisen hier auf dem Gelände gewisse Gemüsesorten bevorzugen. Die Grundidee war die ursprüngliche Blattfläche der Gemüsesorten vor dem Experiment mit der Blattfläche zu vergleichen, nachdem das Gemüse den Blattschneidern angeboten wurde. Die Pflanzen wurden quasi in die Nähe der Nester gebracht um zu sehen, ob und welche Gemüsearten die Blattschneider angreifen.
Nach einigem Hin- und Herüberlegen entschied ich mich dafür die Gemüsesorten Paprika, Mais, Kartoffel, Spinat, Blumenkohl und Radieschen zu verwenden. Jeweils 47 von jeder Sorte, da ich mindestens 36 Pflanzen pro Sorte für mein Experiment eingeplant hatte und mit einer Verlustrate von 30% rechnete. Ich wollte 6 Kolonien mit 6-facher Wiederholung überprüfen, um durch die Repetitionen Zufälle auszuschließen.
Also befüllte ich Ende November 282 Pflanztüten mit einer Mischung aus der Erde von hier (50%), Sand (25%) und organischen Materials (25%) und säte die Pflanzensamen aus bzw. setze die Kartoffeln. Die Erde von Mollesnejta ist im trockenen Zustand sehr hart und grobkörnig. Dadurch ist die Durchwurzelbarkeit für die feinen Wurzeln nicht sehr günstig und die Wasserspeicherfähigkeit ist gering. Durch die Beimischung von Sand (aus dem 5 km entfernten Viloma-Fluss) und org. Material werden diese Faktoren verbessert.

Schon an diesem Punkt stieß ich auf die ersten Probleme. Da ich mich in Deutschland relativ wenig mit dem Gemüseanbau auseinander gesetzt hatte und hier zusätzlich ganz andere Klimabedingungen herrschen, konnte ich die Wuchsgeschwindigkeiten der Pflanzen vorher kaum einschätzen. Ursprünglich wollte ich für meinen Versuch Pflanzen in einem ähnlichen Blattstadium verwenden, um diese besser vergleichen zu können. Im Internet konnte ich kaum Tabellen zum Höhenwachstum finden und auch vor Ort konnte mir niemand richtig weiterhelfen.
Nachdem Mitte Dezember alle Pflanzen ausgesät waren, installierte ich vor meiner Reise noch einige „Sicherheitsmaßnahmen“ gegen die Attacke von Vögeln und Ameisen. So spannte ich über die Pflanztüten ein Vogelschutznetz und grub einige Dachziegeln ein, um den Eingang zu den Pflanztüten nicht ganz offen zu lassen (auch wenn Dachziegel kein unüberwindbares Hindernis sind). Noemi war so lieb und kümmerte sich während meiner Abwesenheit um das Bewässern der Pflanzen, da zu dem Zeitpunkt die langersehnte Regenzeit, die normalerweise Ende November beginnt, immer noch nicht eingetroffen war.

Als ich Anfang Januar dann endlich wieder zurück war, um nach meinen Pflanzen zu schauen, war der erste Schock ziemlich groß. Die Kartoffelpflanzen waren in den vergangenen Wochen ziemlich in die Höhe geschossen (die meisten zwischen 30cm und 50cm hoch) und die Paprika- und Blumenkohlpflanzen waren gerade erst dabei sich zu entwickeln (unter 5cm). Aus 47 Spinatsamen waren nur 7 Pflänzchen gewachsen und aus den Paprikasamen nur 28. Zudem wiesen viele der Radieschenpflanzen Fraßspuren auf. Von den ursprünglich geplanten 36 „intakten“ Pflanzen pro Gemüsesorte war also wenig zu sehen. Ein wenig bedrückt beschrieb ich meinem Dozenten die Situation. Daraufhin erhielt ich eine aufmunternde Email. Mein Dozent schrieb, dass bei der Feldarbeit, also bei Versuchen und Datenerhebungen unter freiem Himmel, eigentlich immer alles schief gehen kann, was nur möglich ist. Ich bräuchte mir deswegen keinen großen Kopf machen, da sich das Problem löse, indem die Aufgabenstellung an die Lage angepasst wird.


Also beschloss ich Spinat aus dem Experiment herauszunehmen und den Versuch nur mit den 5 Gemüsesorten durchzuführen. Da ich weniger Pflanzen zur Verfügung hatte als ursprünglich geplant, reduzierte ich auch die Repetitionen pro Kolonie. Weil viele Pflanzen leichte Fraßspuren aufwiesen, notierte ich mir vor dem Anbieten der Pflanzen, den durch Blattschneider produzierten Schaden, um vorherigen und späteren Schaden differenzieren zu können.
Blattschneiderameisen haben ein sehr unterschiedliches Schneideverhalten. Sie bevorzugen also je nach Art verschiedene Pflanzen. Einige Blattschneiderameisen haben sich auf einige Pflanzenarten spezialisiert, andere haben ein sehr breites Spektrum. Versuche haben gezeigt, dass das Schneideverhalten ebenso von dem Angebot abhängt, also von den Pflanzen, die in der Nähe des Nestes wachsen. Auch variiert die Distanz zum Nest, in der sie die Pflanzen schneiden. Das sind viele Faktoren, die ich im Vorhinein schwer einschätzen konnte.
Von der einen Art der Blattschneider (Acromyrmex striatus), die hier auf Mollesnejta vorkommt, wusste ich aus einer brasilianischen Studie, die in den Jahren 1997 und 1998 durchgeführt wurde, dass diese Art eine breite Auswahl von sowohl frischen als auch abgestorbene Pflanzen, frische und vertrocknete Blüten, frische und trockene Früchte und Flechten beschneidet. Über die andere Art hatte ich gar kein Vorwissen, da bisher nicht genau klar ist, um welche Art es sich handelt (siehe Blogeintrag Meine Freundinnen & anderer Menschens Feindinnen – die Blattschneiderameisen).


Also musste ich zuerst ausprobieren, wie ich die Pflanzen den verschiedenen Kolonien am besten anbiete, damit sie auf die Pflanzen aufmerksam werden. Ich hatte keine Möglichkeit, die Pflanzen einzugraben, da sich einige der Kolonien zwischen den Steinen des Fußweges oder den Pflastersteinen unseres Hauses angesiedelt haben. Also bot ich die Pflanzen den Ameisen vorerst in den Pflanztüten entlang der Ameisenstraße in der Nähe des Schneidebereiches (dort wo die Acromyrmex die Pflanzen beschneiden) an. An diesem Tag passierte nichts.


Auf Rat meines Dozenten entfernte ich am folgenden Tag die Plastiktüten und baute zusätzlich kleine Brücken aus Stöckchen, um den Ameisen die Wege zwischen den verschiedenen Pflanzen zu erleichtern. Mit diesem verbesserten Versuchsaufbau wurden innerhalb von 12 Stunden die ersten Radieschen befallen, obwohl es zwischendurch regnete und die Blattschneiderameisen im Regen nicht aktiv sind.

In den darauf folgenden Tagen passierte trotz gleichem Versuchsaufbau erneut nichts. Frustriert wollte ich schon aufgeben und das Experiment abbrechen, weil ich das Gefühl hatte, dass sich die Blattschneiderameisen nicht für die Gemüsepflanzen interessieren, da sie reichlich anderes Pflanzenmaterial zur Verfügung haben. Zum Glück wurde ich von meinem Dozenten zum Weitermachen ermuntert und habe so herausgefunden, dass wenn ich die Pflanzen so dicht wie möglich an die Kolonien (ca. 10cm) heranstelle und mit den hochgewachsenen Kartoffeln eine Art Verbindung bis zum Boden schaffe, die Blattschneider auf das Gemüse aufmerksam werden und anfangen es zu beschneiden. Mit diesem wiederum verbesserten Versuchsaufbau konnte ich in der letzten Woche gut verwertbare Daten sammeln, die ich in Deutschland auswerten werde.

Insgesamt habe ich mir die Zeitspanne(Time_in; Time_Out) notiert, in der ich die Pflanzen den Blattschneidern angeboten habe, die Gemüsesorte (plant_species), den Anteil der konsumierten Blattfläche vor dem Experiment (percent_of_consumed_tissue_before_experiment), den Anteil der konsumierten Blattfläche nach dem Experiment (percent_of_consumed_tissue_total), den Namen der untersuchten Kolonie (colony), die Temperatur (temperature), die Distanz zum Nest (distance_to_nest), den Niederschlag (precipitation), das Alter der Pflanzen (age_in_days) und ob die Pflanzen eine Verbindung zum Boden haben (contact with soil). Welche Daten ich dann für die statische Auswertung verwende, muss ich mir noch überlegen, aber es wäre sicherlich spannend die Distanz zum Nest oder den Niederschlag mit der konsumierten Blattfläche zu vergleichen. Nach meinen Beobachtungen würde ich sagen, dass es keine Gemüsesorte gibt, die präferiert beschnitten wird.

Das Experiment für den Monat Januar anzusetzen, war nicht gerade die beste Entscheidung, da der Niederschlag im Januar am höchsten ist. Aber da Ende März mein Praktikum endet, wollte ich das Experiment ohne Zeitstress durchführen. Ebenfalls führen Blattschneiderameisen zu Beginn der Regenzeit ihren Hochzeitsflug durch und ändern in diesem Zeitraum ihr Schneideverhalten. Diese zwei Umstände könnten auch dazu geführt habe, dass einige Tage lang „nichts“ passiert ist.
Ich habe auf jeden Fall wichtige Erfahrungen in der Feldarbeit gemacht und bin glücklich die Möglichkeit zur eigenen Versuchsdurchführung hier auf Mollesnejta bekommen zu haben. Sobald die Daten ausgewertet sind, werde ich die Ergebnisse ebenso hier auf dem Blog veröffentlichen.